Joker (2019)



Joker wurde von Hangover-Regisseur Todd Phillips inszeniert und erzählt die Entstehungsgeschichte eines der fesselndsten und populärsten Comic-Bösewichte und dem später primären Gegenspieler von Batman. Der Film untersucht die Entwicklung eines einsamen und unsicheren Außenseiters hin zum wahnsinnigen Mörder. Es ist eine Selbstfindungsgeschichte. Nur entsteht, als Anti-These zu Batman, nichts Positives aus den schlimmen Erfahrungen der Vergangenheit, sondern der Abstieg in Nihilismus und Chaos. Zum anderen hinterfragt der Film unsere Gesellschaft. Inwieweit ist unser Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen und insbesondere gegenüber den Kranken und Hilfsbedürftigen (sowie ein suboptimales Gesundheitswesen) ursächlich für den Absturz in Gewalt und Wahnsinn? In Anbetracht dieser Thematik, die im Prinzip einen komplett andere Ursache vorschlägt, ist jeder Vorwurf über die Auswirkung von Gewalt in Film und Videospielen in diesem Fall noch unsinniger als sie es sonst schon ist. Doch Joker liefert Stoff zum Nachdenken und für Diskussionen und ist allein dafür schon interessanter, als der Großteil generischer Comicbuch-Adaptionen, die heutzutage den Markt überschwemmen. Der Film ist aus technischer Sicht gut, insbesondere was seine Cinematographie und detaillierte Darstellung Gothams in den 1980ern angeht. Joaquin Phoenix liefert eine bizarre und eigene Interpretation des späteren Jokers, Arthur Fleck, die sich sehr von der Nicholsons und Ledgers unterscheidet.

Phillips bedient sich stark bei zwei besseren Filmen. Das Grundgerüst und die Ästhetik sind beinahe komplett aus Martin Scorseses Taxi Driver übernommen. Ein sozial inkompetenter Einzelgänger in den dunklen Straßen der Großstadt, der durch seine Abscheu vor der Gesellschaft der Gewalt verfällt. Phillips Vision von Gotham City ist trostloser als je zuvor. Es gibt wohl in der ganzen Stadt keine Person, die ein merkliches Maß an Empathie und Menschenliebe. Selbst Thomas Wayne, Batmans Vater, der in vergangenen Filmen als der Samariter der Stadt angepriesen wurde, ist ein arroganter, narzistischer und unsensibler Kerl. Anders als in Taxi Driver, wo wir alles aus der Sicht von Travis Bickle wahrnehmen, agiert Joker als neutraler Beobachter. Das lässt darauf schließen, dass die Welt nicht nur aus der Sicht der Hauptfigur zugrunde geht, sondern in Gotham tatsächlich alles verdorben ist. Ich schätze dieser Ansatz funktioniert als hyperbolischer Kommentar an unsere Gesellschaft, wirkt aber wenig überzeugend im Kontext des Films. Gothams Krise an Menschlichkeit und des aufkommenden Nihilismus wird nicht weiter behandelt, als dass die Schwere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. Der Film sucht weder eine Erklärung, noch eine Lösung.

Die zweite Quelle ist Scorseses King of Comedy. Viele Elemente des Plots und einige Zeilen Dialog werden direkt übernommen. Fleck wohnt mit seiner Mutter zusammen und träumt davon als Comedian aufzutreten. Er fantasiert darüber in seiner Lieblingsshow, als Gast seines Idols Murray Franklin (Robert De Niro) auftreten zu können. Damals spielte De Niro die Rolle von Phoenix, heute spielt er den berühmten Talkshow-Moderator. Arthur Fleck ist, wie alle anderen Charaktere in Joker, kein sympathischer Mensch. Er ist mitleiderregend, wenn überhaupt. Im Vergleich zu seinen Vorbildern fehlt dem Film, wie Fleck selbst, der Witz und die Ironie, welche die Masse der Bewunderer seiner Hauptfigur zu Narren macht. Joker ist ein Film, der eine große Wut über die Lage der (amerikanischen) Gesellschaft in sich trägt und verdammt sie.


Regie: Todd Phillips
Besetzung: Joaquin Phoenix, Robert DeNiro, Zazie Beetz, Frances Conroy
Genre: Drama
Freigabe: 16
Laufzeit: 122 min.
Veröffentlicht: 2019/10/10 (in Deutschland)
Drehbuch: Todd Phillips, Scott Silver
Schnitt: Jeff Groth
Cinematographie: Lawrence Sher
Budget: $55-70 Mio.